Schluss mit lustig oder droht das Ende der Liquiditätshausse?

Der 30. Juni naht mit großen Schritten. Es ist der Tag, an dem das Aufkaufprogramm der Fed für US-Staatsanleihen auslaufen soll. Neben der qualitativen Niedrigzinspolitik hat die Fed mit diesem Instrument die quantitative Liquiditätsversorgung der US-Wirtschaft dramatisch ausgeweitet. Nachzuvollziehen ist dies an der Entwicklung der Bilanzsumme der Fed, die sich von gut 800 Mrd. US-Dollar 2008 auf aktuell annähernd 2800 Mrd. kräftig ausgeweitet hat.

Diese großzügige Geldpolitik zielte darauf ab, die nach dem Platzen der Immobilienblase angeschlagene US-Konjunktur auf ihrem Wege der Genesung tatkräftig zu unterstützen. Und selbstverständlich geht es auch darum, die Zinsen an den Anleihemärkten wirtschaftsförderlich zu drücken. Diese Stimulierung ist in punkto Unternehmensstimmung im Verarbeitenden Gewerbe der USA sicher gelungen. Nach einem dramatischen Einbruch Ende 2008 hat sich der Einkaufsmanagerindex (ISM) deutlich oberhalb der Marke von 50 Punkten etabliert, die konjunkturelle Expansion anzeigt.

Nicht vergessen werden darf, dass die US-Notenbank aber auch daran interessiert ist, über liquiditätsgetriebene Vermögenseffekte stimulierend auf die Realwirtschaft einzuwirken. Denn fühlt sich der Amerikaner reicher, ist er historisch gesehen auch gerne bereit, mehr Geld auszugeben bzw. kann seine Vermögenspositionen auch stärker in Form von Bankkrediten beleihen.

Diese Liquiditätshausse lässt sich mühelos am Aktienmarkt der USA mit deutlich positiven Auswirkungen für die weltweiten Aktienmärkte feststellen. Natürlich hat auch die weltkonjunkturelle Aufwärtsbewegung ihren festen Anteil an der positiven Aktienbewegung seit 2009. Aber die Liquiditätsausstattung ist das vergleichsweise bedeutendere Argument für Aktien gewesen.

 

Die neue Sachlichkeit am Aktienmarkt?

Droht also jetzt mit der Beendigung des Aufkaufprogramms von amerikanischen Staatsanleihen die neue Sachlichkeit am Aktienmarkt? Schenkt man den Worten einiger US-Notenbanker Glauben, dann könnte sogar der Eindruck aufkommen, Amerika könne sich vom geldpolitischen Saulus zum Paulus wandeln.

Betrachtet man die Sache nüchtern, so ist festzustellen, dass der Aufkauf von Staatsanleihen - wie übrigens vorher auch der Aufkauf von teilweise hochtoxischen Hypothekenpapieren - nicht im Rahmen einer normalen Offenmarktpolitik abgelaufen ist. Üblicherweise vergeben die Notenbanken Liquidität gegen den Aufkauf von Wertpapieren von Geschäftsbanken nur auf Zeit. D.h. die Geschäftsbank muss z.B. nach einem halben oder ganzen Jahr die bei den Notenbanken eingereichten Papiere zurückkaufen. Damit reduziert sich das Liquiditätsvolumen wieder. Daher wird jede vernünftige Geschäftsbank also immer mit einem gewissen Maß an Zurückhaltung bei der Liquiditätsweitergabe, beispielsweise in Form von Krediten, vorgehen.

Im vorliegenden Fall des Aufkaufprogramms der US-Notenbank wurden und werden diese Finanzmittel jedoch endgültig aufgekauft. Die Geschäftsbanken gaben also neben den Staatsanleihen die prekären Hypothekenanleihen endgültig aus der Bilanz ab und erhalten im Gegenzug Überschussreserven bei der Fed. Die Liquidität steht ihnen also endgültig zur Verfügung.

Im Rahmen der Wertpapierankäufe haben diese Überschussreserven der Geschäftsbanken bei der Fed ein enormes Volumen angenommen. Diese Reserven sind jederzeit von den Geschäftsbanken für Investitionszwecke abrufbar. Betrugen diese freien Mittel vor dem Platzen der Immobilienblase im Höchstfall gerade einmal 4 Mrd. US-Dollar, stehen aktuell über 1400 Mrd. US-Dollar zur Verfügung. Oder anders ausgedrückt: Über den Geldschöpfungsmultiplikator ließe sich mühelos die gesamte US-Volkswirtschaft mit einem BIP von knapp 15000 Mrd. erneut finanzieren. 2008 wären es dagegen lediglich 40 Mrd. gewesen. Die aktuell verhaltene Kreditvergabepraxis oder auch die Anlageinvestitionen in Wertpapieren könnten also dramatisch ausgeweitet werden.

 

Liquidität keine aussterbende Spezies

Eine Eintrübung der für die Aktienmärkte wichtigen Liquiditätsausstattung ist also nicht zu befürchten, zumal die Notenbank die Zuflüsse aus fälligen Anleihen in neuen Anleihen investieren will. Natürlich wären noch umfangreichere Aufkäufe noch besser für die Aktienmärkte. Aber die Fed will ihre Glaubwürdigkeit zunächst nicht weiter strapazieren. Denn grundsätzlich stehen Wertpapierkäufe auf der Sündenliste der Notenbanken ganz oben. Aber es ist der Fed nicht verboten, im Notfall auf der Liquiditätsebene erneut tätig zu werden. Ausschlaggebend wird für sie hier die Höhe der Renditen der Staatsanleihen sein. Diese sollen inflationsbereinigt möglichst niedrig bleiben, damit die Bedienbarkeit von Staatsschulden noch zu leisten ist und die Kreditzinsen attraktiv bleiben.

Ohnehin kann die US-Notenbank alles andere als sich zurücklehnen und die konjunkturelle Unterstützung kappen. Zweifelsfrei sind die großen US-Konzerne mehrheitlich in glänzender Verfassung. Doch zunächst kommt der Immobilienmarkt in den USA immer noch nicht aus seiner Lethargie. Und eindeutige Entspannungsanzeichen sind auch am amerikanischen Arbeitsmarkt nicht zu erkennen. Zwar zeigen die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA eine klar sinkende Tendenz.

 

Der Revolver der Notenbanken bleibt geladen

Vielfach wird jedoch die Nachhaltigkeit der Besserung angezweifelt. Denn die amerikanischen Unternehmen schaffen verstärkt Arbeitsplätze außerhalb der USA, gerade auch in den amerikanischen Aushängebranchen. In Amerika selbst sieht dieser Arbeitsplatzzuwachs deutlich bescheidener aus. Außerdem ist die Qualität der Arbeitsplätze gesunken. Bestes Beispiel hierfür ist die kürzliche landesweite Stellenanzeige einer bekannten Fast Food-Kette. 62 Tsd. Angestellte wurden gesucht. Eine Million Bewerbungen sind eingegangen, darunter auch ungewöhnlich viele von Akademikern.

Eine ähnliche Situation zeigt sich bei der Europäischen Zentralbank. Sie müsste im Hinblick auf die gestiegene Inflation deutlich schneller und konsequenter die Leitzinsen erhöhen. Zur gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung der Eurozone kann sie jedoch nicht so, wie sie will.

Vor diesem Hintergrund ist Liquidität auch nach dem 30. Juni keine aussterbende Spezies und damit die Liquiditätshausse an den Märkten nicht beendet. Der Revolver der Notenbanken bleibt geladen und der Finger ist am Abzug.

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